Alltagskolumne: Eintagsfliegen


Ein Gastbeitrag von Gabriela Dombrowe.

Ich schlage die Augen auf und neben meinem Bett summt eine Eintagsfliege fröhlich, wobei eher verzweifelt herum. Es ekelt mich und ich setze mich auf. Solch ein Insekt ist wirklich kein schöner Anblick. Was bin ich froh, keine Eintagsfliege sein zu müssen. Nicht nur, weil es ihr so sehr an Schöneit fehlt, nein ihr Name und die damit verbundene Bestimmung ist einfach nur grausam. Ob sie wirklich nur einen Tag lebt? Gerade hab ich gegoogelt. Es stimmt. Während die Larve meist bis zu einem Jahr vor sich hin vegetiert, kann das geschlüpfte Tier nur ein paar Minuten bis höchstens ein paar Tage Freiheit genießen. Wie muss das frustrierend sein! Ob die Eintagsfliege, die da in meinem Zimmer rumschwirrt wohl davon weiß, dass sie nur (noch) so kurz zu leben hat? Ob sie weiß, dass all ihre Zukunftspläne vergebens sein werden? Sie wird nie eine eigene Familie haben, nie arbeiten, nie reich und erfolgreich werden. Das höchste Gut, dass sie erstreben kann, das Schönste, was sie erleben darf, ist einen einzigen Tag zu leben. Wovon jetzt schon mindestens eine halbe Stunde in meinem Zimmer drauf gegangen ist. Was für eine Zeitverschwendung. Mensch, Eintagsfliege, flieg hinaus und genieße den einen Tag, den du hast!

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr überträgt sich dieses Bild auf unser menschliches Leben. Ob wir uns dessen bewusst sind, dass wir nur ein Leben haben?! Ist uns klar, dass jede Minute, jede Stunde, jeder Tag, in der wir hasserfüllt, zornig, undankbar und egoistisch sind, reinste Zeitverschwendung ist? Was mache ich aus meinem Leben? Es liegt in meiner Hand. Aber wie muss ich meine Zeit nutzen, um am Ende meiner Tage sagen zu können: Na, das hat sich doch gelohnt! Manchmal leben wir wie diese Eintagsfliege. Eingesperrt an einem Ort, an dem sie sich nicht entfalten kann. Zumindest ist das ihre Meinung. Sie kämpft mit der Situation. Sie will, koste es was es wolle, aus diesem Umfeld, diesem Käfig namens Haus heraus. Wüsste sie Bescheid über ihre kurze Lebensdauer, so würde sie gewiss nicht so ein Theater machen. Sie würde sich vielleicht hinsetzen, sich beruhigen, sich in unserer nett eingerichteten Wohnung umsehen und sagen: „Mal sehen, was ich hier machen kann.“ Und dann entdecken, dass diese Situation vielleicht doch gar nicht so schlecht ist, wie sie dachte.

Wie viele von uns leben, als ob sie durchgängig in einem Käfig eingesperrt wären. Sie klopfen von innen verzweifelt, hysterisch an die Türen, schreien nach Hilfe und wollen einfach nur raus. Nicht ahnend, dass dahinter ein tiefer Abgrund ist. Hauptsache weg von diesem Ort, der nicht so aussieht, wie wir es uns vorgestellt haben. Wir wollten doch so gerne diese Arbeitstelle bekommen. Wir hätten doch so gerne diese Beziehung weitergeführt. Und wieso hat es jene Person besser als ich?! Oh, wüssten wir doch nur, dass genau dieser angebliche Käfig, viele wunderschöne, atemberaubende Überraschungen für uns bereithält! Dass diese Wünsche, denen wir so blind nachlaufen, eigentlich gar nicht gut für uns sind.

Vielleicht können wir dann eines Tages aus dieser vermeintlichen Gefangenschaft treten und endlich erkennen, dass unser Gott und Vater Pläne für uns hat, die noch viel mehr unser Herz erfüllen, als unsere eigenen. Die uns mehr prägen, die uns formen, verwandeln in Gottes Ebenbild. Und die uns die Möglichkeit geben, für Jesus allein zu leben. Indem wir uns selbst aufgeben, werden wir frei werden. Der Käfig wird verschwunden sein. Ich will mich nicht länger wehren. Ich will vertrauen, dass der Ort, an dem Gott mich hingestellt hat, die Situation, in der ich mich gerade befinde, genau dieser Wunsch, der nicht in Erfüllung gekommen ist, dass das alles zu Gottes Plan gehört. Ich will nicht länger rebellieren. Was soll das bringen, außer wunden Fäusten und einem traurigen Herzen?! Wenn ich mich ihm, meinem Vater ganz hingebe, dann wird er dafür sorgen, dass die Türen offen stehen, und ich einen Weg gehen kann, der voller schöner Blumen ist und der mich letztendlich ans einzige Ziel führt: An das Herz des Vaters. Ganz egal, was mich umgibt. Dieser Ort ist genau richtig. Und ich werde die Zeit, die ich aus so gnädigen Händen empfangen habe, nutzen um glücklich zu sein. Und Eintagsfliege, wie siehts mit dir aus? Schau dich doch mal um, du hast schließlich diesen einen Tag Zeit.


3 Kommentare

  1. Christiane

    Ja, wirklich eine tolle Übertragung das Bild mit der Eintagsfliege. Danke für die wertvollen Gedanken dazu.

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