Anders als geplant


Als ich ein Kind war, nahmen meine Eltern mich und meine Geschwister oft mit ins Seniorenheim. Meistens besuchten wir meine Urgroßmutter. Manchmal sangen wir auch Lieder auf den einzelnen Stationen. Mein Bauchgefühl war dabei oft ein mulmiges. Die Traurigkeit und Einsamkeit mancher Bewohner war allgegenwärtig und mein Kinderherz konnte sie spüren.

Ganz anders erinnere ich mich an einen Besuch bei der Patentante meiner Mutter. Auch sie lebte in einem Seniorenheim, war verwitwet und kinderlos, doch strahlte diese alte Frau eine tiefe Freude und Dankbarkeit aus. Immer wieder sprach sie über das Gute in ihrem Leben und wies auch uns auf die Geschenke Gottes in unserem Leben hin. Ihr tiefer Glaube an einen liebenden Gott überstrahlte jede Falte in ihrem vom Leben gezeichneten Gesicht. Schon damals dachte ich mir: „Im Alter möchte ich sein wie diese Frau.“

Heute sitze ich zwar in keinem Seniorenheim, doch dafür in einem Krankenhausbett. Die Frau im Bett neben mir kuschelt mit ihrem neugeborenen Sohn, meine Tochter liegt hingegen im Inkubator einige Räume von mir entfernt. Ihr geht es den Umständen entsprechend gut und doch ist die Situation nicht so, wie ich sie mir erhofft hatte. Ich hätte uns einen leichteren Start ins Leben gewünscht, einen, in dem uns nicht ständig ein Plexiglaskasten trennt…

Ausgangsbeschränkungen wegen Corona, auch das hat sich niemand gewünscht. Noch weniger, dass Tausende Menschen in Europa an dieser Krankheit sterben. Doch ist es trauriger Alltag – Realität. Manchmal wünscht man sich, die Geschichte einfach umschreiben zu können. Die Krankheit mit einem Schnips verschwinden zu lassen, oder das Baby mit nur einem Gebet sofort nach Hause mitnehmen zu können. Wünsche, die erst einmal Wünsche bleiben müssen.

Entscheidend ist derzeit weniger die Situation, in der wir uns befinden und vielmehr, wie wir sie bewältigen. Wir können enttäuscht darüber sein, dass Pläne nicht aufgehen; dass wir in Freiheiten eingeschränkt sind; die Hilflosigkeit gegenüber dem Problem die Oberhand überlassen…

Oder wir richten unseren Blick auf das Gute im Schweren; auf die Segnungen, die uns auch in Krisenzeiten umgegeben:

Da danke ich Gott für den Sonnenaufgang, den ich jeden Morgen aus meinem Krankenhausfenster bewundern kann und mir vor Augen hält, wer der Schöpfer dieser Welt ist.

Da werde ich dankbar für medizinisches Personal, dass sich liebevoll und mit großem Fachwissen um die Bedürfnisse meiner Tochter kümmert; oder Pflegekräfte und Ärzte, die tapfer gegen Corona ankämpfen.

Heute will ich das Herausgenommen-Sein aus dem Alltag als himmlisches Geschenk betrachten; will darauf vertrauen, dass Gott weiß, wieso er mir, der Gesellschaft und auch der Natur gerade Ruhe verordnet.

Ich freue mich über liebe Worte, die dank digitaler Medien an mich gerichtet werden können, obwohl sonst keine Freunde und Familie (ausgenommen vom Mann) vorbeikommen können…

Wie wunderbar, dass Gott mir helfen kann, meinen Blick auf das Gute zu richten. Dass Jesus mir vorgelebt hat, wie ich trotz Schwierigkeiten mit Gott verbunden bleiben kann und dass uns versprochen wurde, dass Gott gerade in diesen Zeiten da ist.

Ich ermutige uns alle, die Augen aufzuhalten, für die Geschenke, die er uns in den nächsten Tagen machen wird. Denn dass er uns gerne gibt, das verspricht schon sein Wort: „Wenn nun ihr, die ihr doch böse seid, dennoch euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten!“ (Matthäus 7,11 Lutherbibel 2017)


4 Kommentare

  1. Manuela Hübler

    Danke für eure warmen Worte und Gebete. Sie haben uns durch diese Zeit getragen. Heute geht es unserer Tochter sehr gut. Sie hat gut zugenommen und ist sehr ausgeglichen!

  2. Ralf Haska

    Danke für die Worte und die Erinnerung an Gottes Liebe und Wohltaten. Möge seine Liebe, seine Wärme und sein Segen euch umhüllen und tragen! In alter Verbundenheit, Ralf Haska

  3. Christiane

    Liebe Manuela,
    Danke für deine ermutigenden Zeilen und dein Gottvertrauen. Danke auch für den liebevollen Blick auf die ältere Generation, die in diesen Tagen vielleicht besonders einsam ist.
    Gott segne dich und deine kleine Tochter dort im Krankenhaus. ER ist bei dir und wird auch diese Zeit für euch zum Guten werden lassen.

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