Kleines rotes Glück


Ein ruhiger Nachmittag, an dem es meine Tochter und mich in den Garten zog. Was ich dort zu tun gedachte? Erdbeeren pflücken. Hauptsächlich hatte ich es auf unsere gut tragenden Gartenerdbeeren abgesehen. Mit Freude sammelte ich die großen, roten, reifen Früchte. Am Ende meines Pflückweges kam ich an ein besonderes Erdbeerfeld – zu unseren Walderdbeeren. Als wir diese Erdbeerpflanzen vor zwei Jahren von unseren Gartenvormietern übernommen hatten, hatte ich mir nicht viel von diesem Gewächs erhofft. Was soll man denn mit mini-kleinen Erdbeeren anfangen, wenn man auch größere ernten kann? Wir gossen sie trotzdem regelmäßig. Als wir dann zum ersten Mal eine ernten durften, waren wir sehr überrascht.

Walderdbeeren bündeln in sich eine solche Aromatik, die mich begeistert. Jede kleine Erdbeere ist ein Erlebnis. Da sie so klein sind, füllen sie nie den ganzen Mund aus und müssen dadurch bewusst geschmeckt – genossen werden. Es fühlte sich so an, als würde man ein klein wenig Glück verspeisen.

Selten verliere ich mich tief in einem Moment. Selten gelingt es mir, die Freude, die vor mir liegt, mit beiden Händen zu ergreifen. Hier konnte ich die Freude sogar schmecken. Das Naschen der Walderdbeeren war damit mein Moment des Tages. Ich weiß, es ist nichts Weltbewegendes, aber es hat meine Welt für einen kurzen Augenblick intensiviert, mich glücklich gemacht, mich Himmel schmecken lassen.
Ich möchte die kleinen Glücksmomente jedes Tages sammeln. An manchen Tagen wird die Ernte überschaubar sein, an manchen reichhaltig. Doch kann mein Auge, mein Verstand geschult werden, die süßen Lebensfrüchte zu erkennen. Der intensive, süße Geschmack einer Erdbeere kann solch einen Glücksmoment darstellen, aber auch das Lächeln eines anderen Menschen, welches mir gilt…

Und wie gelingt es, dass diese Momente feste Erinnerungen werden? In meinem Leben wähle ich dafür zwei Wege. Entweder berichte ich einem anderen Menschen (vorzugsweise meinem Mann) von meinen Alltagsfreuden. Oder ich halte all die Dinge schriftlich fest, für die ich am Tag dankbar war. Dabei schaue ich bewusst auf die vielen Kleinigkeiten. So entsteht in unregelmäßigen Abständen eine Dankesliste.

Ich versuche, mindestens zehn Punkte zu notieren, für die ich dankbar sein kann und lege sie wie ein Gebet meinem Gott vor. Denn ich bin sicher, dass er mitliest und sich darüber freut, dass ich die besondere Süße der Walderdbeere wahrgenommen habe. Ein wichtiger Effekt des Verschriftlichen ist, dass sich die kleinen Erlebnisse noch besser in mein Gedächtnis brennen. So leuchtet später manches Alltagsglück im Alltagsstress wieder auf. Und da ich schnell gestresst bin, sollte ich mich möglichst bald wieder an eine Liste setzen. Mal überlegen, was mich am heutigen Tag hat dankbar sein lassen…


1 Kommentare

  1. Hannelore Jersch

    Danke für deine Gedanken, Manuela.- und den Vergleich: Erdbeeren – Glücksmomente
    Ich liebe den Geschmack dieser kleinen Früchte, das ist für mich ein Stückchen Kindheit, weil die Monatserdbeeren das Kinderbeet im Schrebergarten meiner Eltern waren. Ich habe auch ein paar „Walderdbeeren“ auf meinem Hochbeet, die sind fast so groß wie normale (kleinere) Erdbeeren, schmecken genauso und blühen noch wie verrückt. Ich habe sie halbvertrocknet aus einer „Ramschkiste“ im Supermarkt für ganz wenig Geld mitgenommen, sie aufgepäppelt und freue mich dran, dass sie jetzt jede Menge „Kinder“ kriegen. Vielleicht sollte ich dir ein paar Ableger in ein paar Töpfe pflanzen und als „Andenken“ aus Friedensau mitgeben, Manuela …

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