Wie alle wissen, die meine Antworten auf „10 Fragen an meine große Schwester“ gelesen haben, liebe ich Dokumentationen. Vor einiger Zeit biss bzw. schaute ich mich mal wieder in ein Thema fest. Diesmal beschäftigte ich mich mit Tiny Houses. Das sind winzige, mobile Häuser (wir reden hier von ca. 15qm Wohnfläche), in die Menschen aus den verschiedensten Gründen einziehen. Ich war gefesselt davon, wie Menschen auf so wenig Raum wohnen können. Mit welch kreativen und cleveren Lösungen sie den sehr begrenzten Platz zu nutzen wissen und wie glücklich sie schienen. (Okay, unglückliche Menschen würden sich wahrscheinlich nicht so gerne filmen lassen.) Sofort überdachte ich meine Lebensverhältnisse. Wir wohnen derzeit auf über 80qm und selbst dieser Platz fühlt sich oft so klein an für all das Zeug, das wir besitzen und für die zwei Kinder und ihren Spiel- und Bewegungsdrang. Wieso können andere mit so wenig Platz leben und mir erscheint es unmöglich? Irgendwie mussten diese Menschen mit weniger Gegenständen leben können, als ich es derzeit tue.
Während ich ein Youtube-Video nach dem anderen zu Tiny Houses suchtete, wurden mir immer mal wieder Videos zum Thema Minimalismus angezeigt. Erst verspürte ich kein großes Interesse daran, mich darüber belehren zu lassen, dass ich zu viel besitze. Doch irgendwann siegte meine Neugier und ich öffnete das erste Video einer begeisterten Minimalistin. Und dann stellte sich das Thema Minimalismus als eins meiner neuen Lieblingsthemen heraus. Den Youtubern, denen ich folgte, gelang es, mich für das Thema zu begeistern, indem mir kein schlechtes Gewissen vermittelt wurde (von wegen: „Du böser Konsument.“), sondern indem sie mich zu einem freieren Lebensstil einluden. So wurde mir z.B. bewusst, dass jeder Gegenstand, der mich umgibt, auch einen gewissen Teil meiner Aufmerksamkeit fordert. Demzufolge sollte man klar auswählen, welchen materiellen Besitz man in seinem Leben willkommen heißen möchte.
Es läuft darauf hinaus, möglichst jeden Gegenstand im eigenen Wohnraum in die Hand zu nehmen und sich zwei Fragen zu stellen. (Ge-)Brauche ich Gegenstand xy (in naher Zukunft)? Und/oder bereitet mir Gegenstand xy Freude? Kann ich wenigstens eine, im Optimalfall beide der Fragen mit ja beantworten, dann darf ich ihn behalten. Wenn nicht, kann ich mich davon trennen, ihn verschenken, verkaufen, spenden oder im Notfall auch wegschmeißen. Auch Dinge, die mir ein lieber Mitmensch vor ein paar Jahren geschenkt hat und die ich nur aufhebe, um diese Person nicht zu enttäuschen, dürfen weg. (Mir als Person, die ich viel Kraft darin investiere niemanden zu verletzen, hat diese Einladung sehr gutgetan, obwohl sie mir nicht leicht von der Hand geht.)
Was sich für mich verändert hat, seitdem ich bewusster/ minimalistischer leben möchte?
Konsum nimmt einen deutlich geringeren Stellenwert in meinem Leben ein. Während ich vorher glaubte, wenn ich noch mehr schöne Kleidung besäße, oder noch bessere Dekoartikel, dann würde mich das glücklicher machen, so bin ich mir jetzt des Trugschlusses bewusst und erfreue mich stärker an den Gegenständen, die mein Zuhause füllen. (Was nicht heißt, dass ich nicht auch manchmal gerne neue Sachen shoppe, aber ich lechze nicht mehr so danach.) Auch mein Neid auf andere und ihren Besitz ist dadurch drastisch reduziert worden.
Mein neues Hobby ist jetzt das Ausmisten geworden. Mir fiel es ja noch nie super schwer, mich von Dingen zu trennen. Doch jetzt mit einem klaren Gedankenkonzept sortiere ich unheimlich gerne auch Schrankfächer aus, die vorher nie angetastet wurden. Und es ist wirklich ein ungemein befreiendes Gefühl immer mehr unnützes und mich belastendes Zeug wegzugeben und zu sehen, wie Platz entsteht. Das Ausmisten kommt mir derzeit sehr gelegen, da wir in wenigen Wochen umziehen müssen. Wie gut, dass ich vorher (vielleicht von Gott geführt) auf das Thema Minimalismus aufmerksam wurde.
Mit dem Ausmisten entsteht auch neue Ordnung in meinem Zuhause und das ist etwas, was ich wirklich genieße. Gegenstände haben nun besser zugeordnete Plätze. Oftmals entstand bei mir Unordnung, weil ich nicht wusste, wo ich bestimmte Dinge verstauen soll. Es war einfach kein Platz für sie verfügbar. Zukünftig möchte ich nur so viel besitzen, wie ich auch in oder auf meinen Möbeln unterbringen kann.
Gleichzeitig merke ich jedoch, dass auch das Konzept Minimalismus in meinem Leben an Grenzen stößt. Nämlich da, wo ich den Besitz meines Mannes oder meiner Kinder minimalisieren möchte. Da denke ich, dass mein Mann doch gut und gerne ein/zwei seiner Gesellschaftsspiele verkaufen könnte, da er diese Spiele, seit wir zusammen sind, noch nie gespielt hat. Doch häufig hat er eine ganz andere Sicht als ich und die Spiele bleiben erhalten. Oder wenn ich aussortiertes Spielzeug meiner Kinder zu einem Wohltätigkeits-Basar transportieren möchte und mein Sohn das Spielzeug auf dem Weg dorthin entdeckt und wieder bespielt, dann waren alle meine tollen Aussortierkünste umsonst. Dies werfe ich meinen Kindern überhaupt nicht vor. Wie sollen sie solch rationale Entscheidungen in ihr Leben aufnehmen, wenn es schon uns Erwachsenen so schwerfällt, minimalistisch zu leben? Lieber möchte ich mich daran erfreuen, wenn mein Sohn wirklich Freude an seinen ganzen Spielsachen findet und so viele davon wertschätzt. (Und das nächste Mal bin ich schlauer und werde die ausgesonderten Spielzeuge heimlich wegschaffen.)
In ein TinyHouse könnte ich immer noch nicht einziehen, dafür habe ich noch viel zu viel Besitz. Doch ich kann mir immer besser vorstellen, wie es Menschen gelingt, sich auf ein Minimum an Besitz zu reduzieren. Ich gehe davon aus, dass Minimalismus ein Prozess ist, ein Weg auf dem ich langsam lerne immer mehr loszulassen und dabei zunehmend Freiheit erfahren kann. Ich bin gespannt, wohin dieser Weg mich führt und ob wir, wenn wir (mein Mann und ich) alt sind, in einem winzigen TinyHouse sitzen oder in einer großzügigen Wohnung. Wie gut, dass das Leben so spannend bleibt.
[…] meinem Minimalismus- Beitrag haben ich erst vor kurzem darüber geschrieben, wie befreiend es sein kann, sich von Dingen zu […]