Bitte sofort, Mama!


Mein Sohn ist heute Busfahrer, sein Bus (ein Longboard) soll einen Passagier (mich) nach Dresden (unser Wohnzimmer) bringen. Natürlich steht er unter Zeitdruck; er hat ja nicht nur diesen Job zu erledigen und muss sich außerdem an den vorgegebenen Fahrplan halten. Nicht verwunderlich, dass er drängelt: „Mama, kommst du bitte?“ Doch mein Plan sah vor, erst in einer halben Stunde abzufahren. Die Geschirrberge stapeln sich schon seit vorgestern und müssen dringend beseitigt werden. Sonst kann ich mich hier nicht mehr wohlfühlen. „Ich brauche noch ein bisschen. Warte bitte noch ein wenig“, rufe ich in den Flur. Der Busfahrer ruft zurück: „Wir müssen losfahren. Nicht später, sondern SOFORT.“

Ich möchte ihm antworten: „Du hast kein Recht, mich so zu drängeln. Ich habe hier wirklich Wichtiges zu tun. Mitspielen kann ich auch später.“ Doch dann geht mir auf: Wie oft verlange ich von meinem Sohn sofort meinen Wünschen oder Aufforderungen nachzugehen? „Zieh dir bitte sofort die Schuhe an, wir müssen sofort zum Kindergarten… Komm bitte sofort an den Tisch, das Essen wird sonst kalt.“ Also hat er doch nur so mit mir gesprochen, wie ich sonst mit ihm. Er hat mich als Vorbild genommen.

In meinem Kopf fangen sich die Gedanken an zu drehen: Ist das Spiel des Kindes weniger wichtig als mein Haushalt oder der Tagesplan? Ich finde es wichtig, dass er versteht, dass er z.B. Termine gibt, die wir rechtzeitig wahrnehmen müssen. Doch muss ich ihm nicht auch Zeit gewähren, um Dinge zu beendigen, um dann dem nachzugehen, was ich/ wir geplant haben? Ist mir nicht noch wichtiger, dass er lernt, auf andere Rücksicht zu nehmen und nicht nur seine Wünsche durchzudrücken? Gibt es noch andere Situationen, in denen ich mich so verhalte, wie ich es an ihm kritisieren würde?

Natürlich fallen mir noch weiter Punkte ein. Nimmt er zum Beispiel ungefragt mein Handy und gibt es mir nicht nach einer einmaligen Aufforderung zurück, dann reiße ich ihm dieses oft wirklich aus der Hand. Wenn er aber seiner Schwester etwas aus der Hand reißt, dann rege ich mich darüber auf und verlange, dass er wartet, bis sie es ihm freiwillig gibt… Oder der Punkt mit dem Aufräumen: Es stört mich, wenn er nach dem Kindergarten Jacke und Schuhe auf dem Flurboden verteilt. Doch auch meine Jacke wandert nicht immer an den Garderobenhaken…

Mir fällt auf, dass ich nicht immer das vorlebe, was ich meinem Kind eigentlich zeigen möchte. Ich weiß, dass das auch nicht immer möglich ist. Und doch sollte es mein Ziel sein, mit Taten lauter zu sprechen als mit Worten. Mein Handeln sollte ihm das bessere Vorbild sein als meine erzieherischen Worte. Darüber hinaus möchte ich mich immer wieder hinterfragen, ob ich nicht etwas von meinem Sohn verlange, woran ich mich doch selbst so gar nicht halte. Fällt mir soetwas auf und finde den Punkt trotzdem wichtig, dann liegt es an mir, meinem Sohn zu erklären, dass ich an dieser Stelle auch noch eine Lernende bin und mit ihm gemeinsam diesen Lernprozess bestreiten möchte.

Und bis mir wieder einer dieser Punkte auffällt, sitze ich auf dem Longboard, ähm Bus, Richtung Dresden…


2 Kommentare

  1. Wie recht du hast!
    Es fällt mir auch ständig auf.
    Man sagt doch so schön: Kinder sind die Spiegel ihrer Eltern.

    Manchmal ganz schön grustierend für uns, weil wir unsere Markel sehen und nicht wegschauen können aber wir haben auch die Möglichkeit so manche so manches noch über uns zu lernen und dann besser zu machen.
    Hat sich Gott doch eigentlich ganz toll überlegt?
    LG an eich 4 ❤️

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