… wenn die Kraft fehlt


Ich liebe das Meer; wenn es tobt, Wellen aufbäumen lässt und den Sand, auf dem ich stehe, in Besitz nimmt. Es gibt jedoch Wellen, die ich so ganz und gar NICHT liebe: Krankheitswellen. Leider werden wir von denen gerade regelmäßig überrollt. Mal hat die eine Fieber, dann liegt der andere mit Spuckeimer im Bett. Keine Seltenheit mit Kindergartenkindern – fast schon erschreckende Normalität. Immer wieder erwischt es dann auch einen von uns Eltern, reißt uns aus dem Alltag und zwingt uns zur Bettruhe.

Das kuschelige Bett, das man an vielen Morgen gar nicht verlassen möchte, ist auf einmal nicht mehr so attraktiv. Wie viel lieber würde man voller Energie die Wohnung aufräumen, oder auf die Arbeit fahren. Wenn der Körper einem Ruhe aufzwingt, kann das frustrieren. Pläne müssen geändert, schnelle Lösungen gefunden werden, um den Alltag zu managen. Glücklicherweise verabschieden sich Kinderkrankheiten oft so schnell, wie sie durch die Haustür gestürmt sind. Doch was ist, wenn einen körperliche oder seelische Beschwerden für lange Zeit außer Gefecht setzen, einen über Monate täglich begleiten, vielleicht sogar chronisch werden?

Mir fällt es schwer, anzunehmen, wenn ich über lange Zeit nicht im Vollbesitz meiner Kräfte bin; wenn das Ende einer Krankheit nicht in Sicht ist. Ich möchte körperlich und seelisch gesund sein; mein Leben wie gewohnt anpacken, Aufgaben meistern und mich nicht durch mich/meinen kranken Körper, oder meine kranke Seele einschränken lassen. Doch gibt es Phasen, da sind sie da – die nervigen Krankheiten und verschwinden nicht von Jetzt auf Gleich durch ein Wundermittel.

In solchen Zeiten neige ich zum Jammern. Meine Gedanken verharren in einer Negativspirale. Alles fühlt sich doof, ungerecht an. Allen anderen um mich herum scheint es besser zu gehen. Warum plagt gerade mich Krankheit XY schon über so lange Zeit? Verständliche Fragen. Auch wenn sie einen nicht weiterbringen, haben sie ihre Berechtigung und dürfen gestellt werden. Wir dürfen sie äußern, sie laut vor Freunden und Familie aussprechen und doch sind auch deren Mitgefühl-Kapazitäten begrenzt. Vollkommen verständlich, dass der Ehemann nach Monaten die gleiche Leier nur noch mit Anstrengung und aus Liebe erträgt. Wie gut, dass es da jemanden gibt, dem ich auch zum hundertsten Mal mein Leid klagen kann; der jedes Mal verständnisvoll und mitfühlend reagiert; der mit mir leidet und meine Schmerzen nachempfinden kann. Mein Gott interessiert sich für mich!!!

Vor Gott dürfen wir schwach sein; in unserer Gesellschaft zählt hingegen oft nur Leistung. Wenn wir etwas zur Gesellschaft beitragen, dann werden wir gesehen und bewundert. Ich fühle mich gut, wenn mir etwas gelungen ist; ich anderen helfen konnte; ein Resultat meiner Arbeit sehen kann. In schweren Krankheitsphasen leisten wir nur wenig. Den Tag durchzustehen, kostet unsere gesamte Energie. Und trotzdem dürfen wir nie der Lüge glauben, wir wären nicht mehr wertvoll. Wir sind kostbar, auch wenn wir im Moment nichts bewegen. Wir sind richtig auf dieser Welt, weil wir sind!

Neben der Gewissheit, auch in Krankheit wertvoll zu sein, hilft es, den Blick auf Dinge zu richten, die uns guttun. In schweren Zeiten ist es nicht vermessen, sondern wichtig, unserer Seele und unserem Körper Gutes zu tun. Ich darf mich fragen, was bereitet mir Freude; lenkt mich vielleicht auch von meinen düsteren Gedanken ab? Vielleicht lege ich beim nächsten Einkauf einen Strauß Blumen für mich in den Wagen, oder kaufe mein Lieblingsobst. Vielleicht raffe ich mich dazu auf, zu einem Abend mit meinen Freundinnen zu gehen, in dem ich einfach nur auf dem Sofa hängen darf. Oder ich packe meine Kinder und fahre an den nächsten Fluss, genieße den Duft des Wassers, das Grün der Wiesen und das Lachen meiner Kinder. Kleine Wellen, durch ein Boot verursacht, rollen auf mich zu. Ich genieße diesen Anblick und träume vom Meer. Manches Schwere wird bleiben, doch muss die Hoffnung niemals vergehen!


1 Kommentare

  1. Gabriela

    So gut, daran erinnert zu werden, dass Gott uns erträgt und sich für unsere Leiden interessiert! Danke, vor allem auch, dass du dich öffnest, damit wir davon ermutigt werden können.

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