Wenn man loslassen muss


In meinem Minimalismus- Beitrag haben ich erst vor Kurzem darüber geschrieben, wie befreiend es sein kann, sich von Dingen zu trennen. Was mir beim Thema Besitz recht leicht von der Hand geht, das sieht bei einem anderen Thema ganz anders aus. Wovon ich mich nur sehr schwer trennen kann, das ist mein derzeitiger Wohnort und, damit verbunden, meine hier lebenden Freunde.
Derzeit wohnen wir in einem sehr beschaulichen Örtchen, umgeben von Wald, auf einem sehr grünen Hochschulcampus, der für uns als Familie mit Kindern einfach perfekt ist. Wir freuen uns darüber, an diesem Ort mit so vielen tollen Freunden beschenkt worden zu sein. Dass es hier so viele Menschen gibt, mit denen wir uns gut verstehen, liegt wahrscheinlich auch daran, dass so viele in ähnlichen Lebenssituationen stecken. Wie auch wir, haben die meisten unserer Freunde hier studiert. Dann sind viele, so wie wir, hier Eltern geworden und unsere Kinder sind gemeinsam aufgewachsen. Zu guter Letzt verbindet uns auch unser Glaube an einen Gott. Dass hier so viele Christen leben, liegt auch daran, dass sich unsere Hochschule in kirchlicher Trägerschaft befindet. Klar sind diese Gemeinsamkeiten keine Garantie dafür, dass es zwischenmenschlich passt, doch durften wir erleben, dass wir in den letzten sechs Jahren mit erstaunlich vielen auf einen Nenner kamen.
Vielleicht fragt ihr euch jetzt, wieso wir denn wegziehen, wenn es uns hier doch so gut gefällt. Dass wir nach dem Studium nicht mehr in diesem Dorf wohnen bleiben können, war schon von Studienbeginn an klar. Mein Mann wird nämlich zukünftig als Pastor für eine Freikirche tätig sein, bei der es zur Jobbeschreibung gehört, dass der Arbeitgeber den Arbeitsort (deutschlandweit) festlegt. Das wussten wir von Studienbeginn an.

Somit hatte ich sechs lange Jahr Zeit gehabt, mich darauf einzustellen, dass wir hier nicht ewig wohnen bleiben können. Doch je näher unser Umzug rückt (und ein Monat bis zum Umzug ist jetzt nicht mehr so lang), desto mehr merke ich, dass ich nicht loslassen möchte. Ich möchte mich nicht von den besten Nachbarn der Welt verabschieden, die so unkompliziert helfen, wenn man mal eine Milch oder einen Babysitter für die Kinder benötigt. Ich möchte nicht auf die sauberen Spielplätze in zwei Minuten Fußweg verzichten, die unsere Kinder täglich bespielten und wo ich fast immer eine andere Mama traf, die mir durch ein Gespräch half, mich und mein Mama-Sein zu reflektieren. Ich möchte mich nicht umgewöhnen müssen, dass der Arbeitsweg meines Mannes nicht nur eine Minute mit dem Fahrrad beträgt. Ich möchte nicht unsere Wohnung mit Dielenboden aufgeben, aus der ich das kleine Flüsschen sehen kann, das an unserem Haus vorbeifließt. Während ich hier meine „Ich möchte nicht – Liste“ schreibe, bin ich mir bewusst, wie kindisch das alles klingt. Aber es ist halt Realität, dass ich schon Lust hätte, mit den Füßen so fest auf den Boden zu stampfen, bis das Haus wackelt, um damit allen zu zeigen, dass ich keinen Bock auf diese Veränderung habe. Hinter meinem „Ich möchte das und das nicht aufgeben.“ steht auch eine große Angst. Die Angst, dass es am neuen Wohnort nicht so schön werden könnte, wie hier. Dass wir nicht zeitnah mit anderen Menschen in Kontakt treten werden, die unsere Freundschaft (und vor allem die der Kinder) annehmen wollen. (Besonders meine Kinder sollen nicht durch den Umzug leiden müssen.) Diese Unsicherheit, die einen immer größer werdenden Kloß in meinem Hals entstehen lässt, ist zur Zeit ein Teil meiner täglichen Realität.

Wieso ich trotzdem weiter Kisten packe und mich auf das Loslassen einlasse?

  1. Weil ich weiß, dass der Umzug für den beruflichen Einstieg meines Mannes nötig ist und somit auch für die Existenz unserer Familie.
  2. Weil viele unserer Freunde in den nächsten Jahren von hier wegziehen werden und damit nicht alles so bleiben würde, wie wir es kennen.
  3. Weil ich mir sicher bin, dass an jedem Ort Menschen leben, die ein warmes Herz besitzen und für unsere Freundschaft offen sind.
  4. Weil im Neubeginn auch immer eine Chance zum Wachsen liegt, die ich nutzen möchte.
  5. Weil meine kleine Familie mit umzieht, d.h. die wichtigsten Menschen in meinem Leben mir ganz nah bleiben.
  6. Weil Gott, der meinen Lebensweg schon jetzt kennt und es gut mit mir meint, mit uns überall hingeht.

Und während ich diese ganzen Gefühle und Gedanken schriftlich festhalte, merke ich, wie gut mir das tut. Indem es schwarz auf weiß steht, wird die Zeit des Loslassens zwar noch realer, doch nur, was man bewusst angeht, kann gelingen…


1 Kommentare

  1. Ein wunderbarer Beitrag. Danke, dass du uns an deinen Gedanken teilhaben lässt.
    Und wunderbare Bilder von deinem Sohn 😉

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